Förderung in der Kindererziehung: Das Kind als Baukasten?

15 Mai, 2019

Bei der Frage, wie man Kinder erziehen soll scheiden sich die Geister, doch durch den stetig wachsenden gesellschaftlichen Druck kommt es immer wieder dazu, dass Eltern einem regelrechten Förderwahn verfallen. Natürlich betrifft das nicht alle Eltern, sondern lediglich einen Teil von ihnen – diesen möchten wir mit diesem Eintrag zum Nachdenken anregen. Egal, ob Klavierunterricht, Gesangsstunden oder Sportangebote – Eltern neigen heutzutage immer früher dazu, ihre Kinder durch Gruppen, Kurse oder Privatunterricht fördern und fordern zu wollen. Erziehungsratgeber raten zu Lernspielzeug, erklären, wie man schlaue Kinder heranzüchtet – Mama und Papa sind begeistert. Wie beim Baukasten scheint das eigene Kind nach Lust und Laune anpassbar zu sein. Etwas Mozart gefällig? Schick Deine dreijährige Tochter zum Klavierunterricht. Wie wäre es mit einer Prise Goethe? Klar, privater Sprachunterricht!

Doch zwischen all dieser Optimierung, Förderung und Schulung bleibt in der Kindererziehung für eine Sache kaum noch Zeit – Kind sein. Die Frage, der viele Eltern in ihrem Wahn keine Beachtung schenken, ist: „Was kommt zu kurz, wenn Kinder zu sehr gefördert werden?“

Kind spielt draussen

Kinder fördern oder überfordern?

Was eigentlich aus guten Vorsätzen heraus und zu Gunsten des Kindes getan wird, entwickelt sich hierbei oft zu einer Überbelastung, die das Kind eher in seiner Entwicklung einschränkt, als voranbringt. Eltern überschreiten immer öfter die Grenze zwischen einem gesunden Wunsch, ihr Kind zielbringend zu fördern und einem Förderwahn. Eltern, die dem Förderwahn verfallen sind und sich überfürsorglich um ihre Kleinen kümmern, überwachen jeden ihrer Schritte und Tätigkeiten, um sicherzustellen, dass ihr Kind auf dem Weg zum nächsten Supergenie keine Zeit verliert. Statt auf der Spielmatte zu toben, soll das Kind so schnell wie möglich Instrumente, Sprachen oder Tanzschritte lernen. Doch die Kinder leiden oft unter dem Leistungsdruck.

Warum möchten die Eltern ihre Kinder fördern? 

Es ist verständlich, dass Eltern mit ihrer Kindeserziehung für ihre Kinder oft nur das Beste wollen und diese in ihrer Entwicklung bestmöglich unterstützen möchten. Durch die Programme, Kurse und Unterrichtsstunden erhoffen sie sich, dass ihr Schatz einmal zu einem ganz besonders schlauen, musikalischen und gebildeten Erwachsenen heranwächst. Die große Angst vieler Eltern ist es, dass ihr Kind irgendwann einmal nicht in unserer Leistungsgesellschaft mithalten kann und im Vergleich mit seiner Altersklasse auf der Strecke bleibt. Schon beinahe ängstlich werden Blicke in Richtung der Kinder von Freunden und Familie in derselben Altersgruppe geworfen. Können diese vielleicht schon laufen? Sprechen? Rechnen? Lesen?

Aus diesem Grund wird gefördert. Oftmals wird hier keine große Rücksicht auf die tatsächlichen Interessen und Bedürfnisse des Kindes genommen, sondern so viele Extraveranstaltungen gebucht, wie eben in den Zeitplan passen. Ob da noch viel Zeit fürs Spielen, Entdecken und Erholen bleibt, ist oft nicht wichtig. Wenn Valéry beim Ballettunterricht mit zu wenig Elan dabei ist, sind Mutti und Vati enttäuscht. Dieser erhebliche Druck auf die Kinder verfehlt oftmals sein Ziel und hat nicht selten einen gegenteiligen Effekt. Denn Kinder, die unter einem erhöhten Leistungsdruck leiden, greifen später häufiger zu Drogen und Suchtmitteln, um den Druck der Eltern anderweitig abzubauen. Hier stellt sich also die Frage: „Was bleibt auf der Strecke, wenn ich mein Kind überfordere?“

Warum das Spielen für Kleinkinder so wichtig ist

Das einfache Spielen, ohne ein bestimmtes Ziel im Auge, kommt bei all der Förderung meist zu kurz. Vielen Eltern ist dies egal, schließlich handelt es sich dabei um einen einfachen Zeitvertreib ohne Relevanz fürs Kinder Erziehen – oder?

Nein, ganz im Gegenteil! 

Das Spielen ist eine Art des Lernens, die Kinder dazu nutzen, die Welt kennen- und verstehen zu lernen. Wenn Kinder spielen, vergessen sie was um sie herum passiert. Sie steigern im Spiel ihre grundlegenden kognitiven und körperlichen Fähigkeiten, schulen Koordination, Geduld und Geschicklichkeit. Darüber hinaus wird das Kind beim Spielen mit Erfolg und Misserfolg konfrontiert. Bleibt der Turm aus Spielsteinen stehen oder fällt er um? Wenn der Turm, an dem es eine gefühlte Ewigkeit gearbeitet hat, vor seinen eigenen Augen wieder in seine Bestandteile zerfällt, dann wird das Kind mit Scheitern und Aggressionen konfrontiert und lernt damit umzugehen. Das ist Kindeserziehung ohne das Zutun der Eltern.

Kind in Sandkasten

Das Kind begegnet jeden Tag neuen Dingen oder findet Neues in Vertrautem. Was für uns bereits lange seinen Zauber verloren hat, ist für das Kind noch aufregend und interessant. Alles, was Kinder sehen, hören oder fühlen ist potenzielles Spielmaterial. Egal, ob es sich dabei um Möbel, Nahrungsmittel oder Haustiere handelt. Dadurch sind Kinder fast immer im Spiel (und damit Lern-) Modus unterwegs. 

Zwei Kinder spielen

Wie kann ich mein Kind im Spiel unterstützen?

Wenn Ihr mit Eurem Kind gemeinsam spielen wollt, ist es wichtig, dass Ihr die Kreativität von Eurem Schatz nicht einschränkt. Denn ein Großteil des Reizes und der Entdeckungsfunktion des Spieles beruhen darauf, dass der Vorstellungskraft des Kindes hierbei keine Grenzen gesetzt sind. Versucht also nicht das Spiel in eine bestimmte Richtung zu lenken oder über das Spielen zu urteilen und es zu bewerten. Versucht stattdessen Euch dem Spiel Eures Kindes anzupassen und nicht anders herum. Seid gleichermaßen Mitspieler und Zuschauer, zieht Grimassen, macht lustige Geräusche und lasst Euch Zeit für das Spiel. Es bietet sich an, so oft wie möglich mit Eurem Kind in die Natur zu gehen, um ihm weitere neue Reize zu schaffen, die seine Kreativität und Fantasie anregen.

Auch der Kontakt mit anderen Kindern ist ein wichtiger Bestandteil des Spieles und ermöglicht dem Kind, seine emotionale Intelligenz und seine Sozialkompetenzen zu steigern. Wenn das Spielen mit einem Kind in einer ähnlichen Entwicklungsphase stattfindet, stehen beide Kinder auf einer Ebene und können sich im Spiel ergänzen und voneinander lernen. Von älteren Kindern, z. B. Geschwistern, gucken sich die Kleinen Angewohnheiten und Verhaltensweisen für Ihre nächsten Entwicklungsphasen ab.

Kindererziehung durch Spielen

Ein Kind sollte so viel Zeit wie möglich im Spielmodus verbringen dürfen und das Spiel nicht dauerhaft durch Termine und Verpflichtungen unterbrochen werden. Wenn Ihr schon Probleme damit habt, die nächste Förderungsmaßnahme in Euren und den Zeitplan Eures Kleinen unterzubringen, ist das ein Warnsignal. Hobbytätigkeiten wie Fußball und Co, sollten als gesunder Zusatz gesehen werden, die Eurem Kind andere Arten des Spieles präsentieren und es in Kontakt mit anderen Kindern inner- und außerhalb seiner Altersgruppe bringen. Keinesfalls solltet Ihr versuchen, Eurem Kind etwas aufzuzwingen, dass es nicht möchte und gegen das es sich sichtlich sträubt. Natürlich heißt das nicht, dass Euer Kind bei jedem Nörgeln vorm Training den Fußballverein wechseln muss. Bei einem langfristigen und anhaltenden Sträuben solltet Ihr jedoch darüber nachdenken, ob die Begeisterung für den Sport oder das Hobby vom Kind kommt, oder doch eher von Euch. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt und es gibt keine konkrete Minimal und Maximal Vorgabe für die Förderungsmaßnahmen. Wenn Ihr das Gefühl habt, Ihr durchbrecht mit einer Aktivität das Spielen und damit Lernen des Kindes und versucht stattdessen, die Grundsteine für ein zukünftiges Talent zu legen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Ihr der Entwicklung Eures Kindes eher schadet als zugutekommt.


Liebste Grüße
Dein Schnullerketten-Liebe Team ♥